Dem Abegg Trio ist es ein weiteres Mal zu danken, (halbwegs) bekannte Literatur mit einer Komposition neuesten Datums (2006!) zu verbinden, genauer noch: inhaltlich, gehaltlich zu verbünden. Den beiden Schostakowitsch-Klaviertrios op. 8 – ein packend-kurzatmiges Beispiel euphorischer, post-romantisierender Kammermusik aus dem Jahr 1923! – und dem tief schürfendem Trio op. 67 fügen Ulrich Beetz, Birgit Erichson und Gerrit Zitterbart ein Werk ihres Weimarer Universitätskollegen Michael Obst (*1955) hinzu. Dessen vielteiliges Trio ist im Zeichen Schostakowitschs erdacht, bezieht sich – wie auch Schostakowitsch oft in seinen eigenen Schöpfungen – auf die Initialen D. Sch. und die damit verquickten Töne d-es-c-h. Obst hat sich im Begleitheft ausführlich über sein Trio geäußert – in diesem Fall eine echte Verständnishilfe, wodurch die von ihm gewählten „Mottos“ von immerhin 16, im Extremfall 4 Minuten dauernden Einzelsätze den Hörer in Nähe des vom Autoren Erwünschten platzieren. Titel wie Mephisto-Walzer und Die wilde Jagd reflektieren – ohne die verbürgte Wildheit der „Vorlagen“ aufzugreifen – die entsprechenden Liszt-Passagen aus der Faust-Literatur aus der Etüden-Verrücktheit (Nr. 8!). Diese musikalischen Anzüglichkeiten und die eingefügten Ruhezonen (fünf „Intermèdes“) ergeben ein zurückhaltend schillerndes Bild von kompositorischer Rückbesinnung und vorsichtiger, keinesfalls schockierender Gegenwartssprache ohne jede Angst, sich im Zusammenwirken dreier Instrumente auch gefühlsmäßig zu zeigen. Insofern ist dieses Obst durchaus eine Frucht des weit verzweigten Baumes Schostakowitsch – so wie Komponisten vom Range eines Schnittkes auf eigenen Wegen das schmerzliche Wirken, das ästhetische Verharren und Protestieren ihres Landesmannes in ihren Werken immer wieder aufleuchten ließen. In diesem Sinn prägen, schraffieren und ziselieren die drei Abeggs die beiden Schostakowitsch-Trios in einer überzeugenden Mischung aus Genauigkeit und Passion, verfallen keine Sekunde in Trance, aber zeigen uns auch, wie nahe diese Stücke gelegentlich am Rande der musikantischen Selbstvergessenheit angesiedelt sind.
Peter Cossé

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