"Ungemein subtil: Natürlich ist es nahe liegend, aber auch ein wenig boshaft, wenn man bei den "Wunderhorn"-Liedern von Wilhelm Petersen (1890-1957) sofort den Vergleich zieht mit dem einen, alle überragenden Komponisten dieser Texte. Petersen ist gewiss kein Mahler - dazu fehlt seinen Liedern das stilistische Profil. Gleichwohl lohnt die Begegnung mit seinem Schaffen, zumal, wenn es so engagiert präsentiert wird wie hier.
Als Zeitgenosse des Expressionismus setzte sich Petersen intensiv mit den Strömungen der Avantgarde auseinander und komponierte bis in die 1920er Jahre hinein durchaus in deren Sinne. Während dieser Zeit steht er, selbst eine literarisch-musikalische Doppelbegabung, dem Dichterzirkel um Stefan George nahe, dessen Aufmerksamkeit der 17-Jährige mit seinem Lyrikband "Träume und Rätsel" weckt. Erst um 1925 setzt dann eine stilistische Wende in seinem Schaffen ein, die Petersen als Versuch charakterisierte, "den persönlichen Ausdruck gegenüber objektiver Gestaltung zurücktreten zu lassen". Viele frühere Werke werden daraufhin umgearbeitet, nicht selten grundlegend vereinfacht; denn Petersen sucht sein Heil nunmehr in Schlichtheit und Unmittelbarkeit. Damit gelingen ihm einige sehr eindringliche Vertonungen, namentlich von Claudius und Shakespeare; anderes wirkt dagegen auf Dauer etwas blutleer.
Diesem Eindruck wirken freilich die beiden Interpreten der hervorragend aufgenommenen CD nach Kräften entgegen. Hans-Christoph Begemann beweist vorbildliche Textsensibilität, und das Zusammenspiel mit seinem Begleiter Matthias Gräff-Schestag wirkt ungemein subtil und atmosphärisch, besonders in den frühen Oden nach Klopstock."
Christian Wildhagen

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