(...) Daher ist Dvořáks Musik eigentlich für jedermann fassbar und begreifbar. Und trotzdem hat sie nicht den Vorwurf des Simplen oder gar Banalen verdient. Denn auch wenn die führende Melodiestimme zwangsläufig unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, steckt unter dieser Oberfläche noch viel mehr. Dvořák weiß komplexe Strukturen zu bauen. Aus vermeintlich einfachen Elementen setzt er Vielschichtiges zusammen. In dieser neuen Aufnahme lassen sich die Stimmen gut nachverfolgen, leicht akustisch voneinander trennen. Keine Klangwolken verstellen den Blick auf das musikalische Geschehen, vielmehr eröffnet die Aufnahme einen analytischen Zugang. Aber keine Angst! Deshalb klingt Dvořáks Sextett hier noch lange nicht spröde oder knochentrocken. Die Musiker des Auryn Quartetts und ihre beiden Gäste, Christian Altenburger an der Bratsche und der Cellist Patrick Demenga, sie wissen das durch ihr Spiel bestens zu verhindern: Mit der geballten Streicherkraft von sechs Instrumenten erzeugen sie einen vollen, satten Klang, manchmal näher am Orchestralen als an der Kammermusik. Auch eine gewisse Lässigkeit ist dem Spiel der sechs zueigen. Kein Schlendrian, überhaupt nicht, sondern eine Lockerheit und Souveränität, die ja auch bereits das Notenmaterial besitzt. Das erweiterte Auryn Quartett lässt die Musik federn und schwingen, gibt sich bei Punktierungen und Überbindungen der Schwerkraft hin und kostet Legatobögen aus.
Wer Mittel und Anspruch reduzieren kann und trotzdem gute Musik zu Papier bringt, ist ein wahrer Meister. Natürlich erkennt man den auch im Streichsextett, aber in den beiden Terzetti wird er umso deutlicher. Diese beiden vermeintlich kleinen Werke sind die große Entdeckung auf der neuen Platte des Auryn Quartetts und seiner Gäste. Für das Sextett hatte man ja Christian Altenburger und Patrick Demenga hinzugebeten. Sehr sympathisch, dass sie sich für die Terzetti nicht wieder auf die Quartettmusiker beschränken, sondern Christian Altenburger beim C-dur-Terzett die erste Geige spielen lassen. Sie alle verleihen Dvořáks Musik den adäquaten Klang: schlank und kultiviert, tragen nie zu dick auf und lassen die folkloristischen Passagen weder derb noch süßlich klingen. Nicht nur die Kompositionen, auch deren Interpretation ist eine Entdeckung.
Maja Ellmenreich

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