Es ist bereits die fünfte CD-Einspielung, die die Pianistin Erika Haase dem Thema "Etüden für das Klavier" widmet. Nach Ligeti, Liszt, Schumann und anderen wendet sie sich nun Johannes Brahms zu. Die mittlerweile 77-jährige Pianistin hat sich mit diesen technisch anspruchsvollen Werken Brahms' viel vorgenommen. Und dennoch vermag sie mit ihrer immer noch vorhandenen Agilität und vor allem mit ihrem Sinn für die Durchleuchtung der Stimmen in den Paganini-Variationen ein faszinierendes Klangbild zu schaffen. Haase rauscht nicht - wie viele ihrer jüngeren Kollegen - wild technisch durch die Variationen, sondern vermag immer die Melodie und das Grundthema herauszuarbeiten. Besonders die Lyrik, die bei ihr zutage tritt, ist so schön und austariert, dass man plötzlich neue Aspekte in diesen Variationen zu vernehmen vermeint. Haase unterteilt die beiden Hefte dieser Variationen mit der Bearbeitung von Bachs "Chaconne" für die linke Hand von Brahms, die sie atmend und fließend spielt, aber mit so viel innerer Ruhe und Ausgeglichenheit, dass die Dramatik ein wenig fehlt. Die weiteren Studien auf Werke von Chopin, Schubert und von Weber sind bestechend klar in ihrer Aussage. Erika Haase liefert hier eine durchweg spannende und vor allem andere Aufnahme, stellenweise wirklich gegen viele heutige Hörgewohnheiten, die aber in sich so schlüssig ist, dass man fasziniert zuhört.
Carsten Dürer

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