Exemplarische, vom ersten bis zum letzten Ton fesselnde Deutungen der drei Streichquartette von Johannes Brahms sind an einer Hand abzuzählen. Zu ihnen gehören zweifellos die Aufnahme des Alban Berg Quartetts aus den 1970er-Jahren und die letztjährige Veröffentlichung des Emerson String Quartet. Mit der Einspielung durch das Auryn Quartett (The Auryn Series Vol. XVI) gesellt sich nun eine minutiös durchdachte, hoch gespannte und brillante Lesart hinzu. Denn wie diese Meilensteine der Quartettliteratur, wie diese Inbegriffe strenger und gleichwohl raffinierter Konstruktionen, wie diese Musterbeispiele konzentriertester und kunstvollster motivischer Verarbeitung, die weit über die klassische motivisch-thematische Arbeit hinausgeht, so auch deren Interpretationen: meisterlich in der architektonischen und dramaturgischen Gestaltung, reich an Emotionen und von einer ungemein farbigen Klangsprache (selbst in den famosen Bratschensoli im 3. Satz des B-Dur-Quartetts op. 67), dazu eine ausgefeilte Tongebung, die die permanente Transparenz des Stimmverbandes gewährleistet. Ohne auf Geschmeidigkeit zu verzichten, legt das beherzte espressivo-Spiel des Auryn Quartetts ein besonderes Augenmerk auf strukturelle, plastisch durchmodellierte Details und stellt sich ganz in den Dienst der Entfaltung eines Satzes oder ganzen Werks aus nur geringer motivischer Substanz.

Die Wiedergabe des c-Moll-Quartetts op. 51,1 besticht mit elektrisierenden Stimmungsumschwüngen und bohrender Intensität – sowohl in den Sequenzierungen der ruhelosen Keimzelle des Kopfsatzes, als auch in der hingebungsvoll ausgesungenen Romanze, dem gleichmäßigen Fluss des Allegretto und dem sehr erregt formulierten Finale. Mehr als nur überzeugend gestaltet sich ebenso das kontrastreiche und unsentimentale Wechselspiel zwischen Spannung und Entspannung im a-Moll-Quartett op. 51,2 – etwa zwischen der ausgedehnten Terzenmelodik und den immer wieder überraschenden Themenverarbeitungen des 1. Satzes, oder zwischen der unschuldigen Liedhaftigkeit und den Momenten voller Unruhe und Aufgewühltheit des Andante moderato. Ihre helle Freude scheinen die vier Musiker schließlich an den verschiedenen Ausdrucksbereichen des Quartetts B-Dur op. 67 zu haben: an den rhythmischen und harmonischen Finessen sowie an den thematischen Variationskünsten innerhalb der motivisch miteinander verzahnten Sätze. Kurzum: Diese Aufnahme ist wärmstens zu empfehlen.

Christof Jetzschke

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