Als "auf eine gantz neue besondere art" komponiert bezeichnete Joseph Haydn selbst sein op. 33 in einem Brief, mit dem er 1781 bei potentiellen Abnehmern für seine sechs neuen Streichquartette warb. Erstmals nach zehn Jahren hatte er sich wieder dieser Gattung zugewendet und dabei alle Erfahrungen eingebracht, die er inzwischen in anderen musikalischen Gebieten gemacht hatte. Mozart war von den Quartetten so angetan, dass er seinerseits mit der Komposition von sechs Streichquartetten antwortete, die er Haydn widmete. Das Opus 33 gilt seither als die Wiege des klassischen Streichquartetts. Den Beinamen „Russische Quartette“ verdankt es der Widmung an den Großfürsten Paul von Russland. Gegenüber ihren Vorgängern zeichnen sich die Quartette durch größere Komplexität und ausgeprägtere motivische Arbeit aus, an der die vier Instrumente gleichberechtigt beteiligt sind. Inspiration und Kunstfertigkeit halten sich in wahrhaft klassischer Weise die Waage.

Dass Haydn erstmals die Bezeichnung "Scherzo" einführt, ist mehr eine äußerliche Neuerung, denn die Sätze stehen mehrheitlich dem Menuett noch sehr nahe. Wirklich "besonders" sind die Überraschungsmomente, in denen der Komponist gekonnt mit der Erwartungshaltung der Zuhörer spielt – sei es in der Verschleierung der Tonart zu Beginn des h-Moll-Quartetts, in den verschmitzten Schlüssen der Quartette in Es-Dur und B-Dur, dem Beginn mit einer typischen Schlusswendung oder dem Siciliano-Finale des G-Dur-Quartetts. Die Reihe von originellen Effekten ließe sich beliebig fortsetzen.

Alle diese Merkmale bringt das Auryn Quartett, das im Zuge seiner im Werden begriffenen Gesamteinspielung aller Haydn-Quartette nun bei diesem gewichtigen Zyklus angelangt ist, aufs Schönste zur Geltung. Es geht das op. 33 in typischer Auryn-Manier an: Sorgfältig die Besonderheit jedes einzelnen Satzes herausarbeitend, kraftvoll zupackend in Stücken wie dem „bosnischen“ Finale von Nr. 3 (dem „Vogelquartett“) oder dem auf Beethoven vorausweisenden echten Scherzo von Nr. 5, unverzärtelt in den langsamen Sätzen. Haydns geradezu theatralische Einfälle servieren die Geiger Matthias Lingenfelder und Jens Oppermann, der Bratscher Stewart Eaton und der Cellist Andreas Arndt äußerst beredt und mit viel Witz. Die entwaffnende Lebendigkeit des Spiels findet ihre Entsprechung in einer sehr direkten Aufnahme von solcher Natürlichkeit, dass man auch die Atemgeräusche der Spieler hört. Ein würdiger Auftakt für das Haydn-Jahr und ein markanter Baustein für die auf insgesamt 14 Alben angelegte Quartett-Gesamtausgabe von Tacet.
Sixtus König

<< back