--> zur Originalkritik

Man sollte sich Zeit nehmen für diese Platte. Am besten hört man sie am Abend, wenn alles still ist. Und am besten hört man sie auch komplett, vom ersten bis zum letzten Stück, denn nur dann erschließt sich die subtile Dramaturgie dieser Zusammenstellung chopinscher Werke, deren Atmosphäre der Album-Titel „feuilles nocturnes“, „nächtliche Blätter“ trefflich widerspiegelt. Die von zwei Nocturnes zu Beginn etablierte, zauberisch somnambule Stimmung wird mal mit freundlichen Walzern, mal mit schillernd gespielten Etüden zeitweise verlassen, um dann in den rondoartig wiederkehrenden Nocturnes wieder aufgenommen zu werden. Dass ihn die Nachtseiten von Chopins Musik mehr interessieren als ihr Potential zu virtuoser Selbstdarstellung, hat ­Evgeni Koroliov schon mit der Einspielung von Chopins Mazurken gezeigt. Und auch auf dieser CD zeigt sich die große Kunst des Interpreten vor allem in einer anschlagstechnischen Nuancierung, die ihn in die Lage versetzt, Chopins Werke auf eine Weise klanglich und atmosphärisch auszudifferenzieren, wie das derzeit vielleicht nur noch Grigory Sokolov gelingt.

Frank Armbruster

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