Der große ungarische Cellist Miklós Perényi zählt mit seinen 74 Jahren mittlerweile sicherlich zu den Altmeistern seiner Zunft, und so hat ihn das Label Tacet für die zweite Folge des neuen Projekts „Summary“ ausgewählt, die das Alterswerk herausragender Musiker und Ensembles präsentiert. Das Resultat ist ein Programm, das ganz von Perényis persönlichen Vorlieben geprägt ist, eine bunte Palette, die von deutscher Romantik bis hin zu Perényis Landsmännern Bartók und Kodály reicht.
Schlanker, fein austarierter Ton und kluger Aufbau von SpannungsbögenEinziges Werk mit Orchesterbegleitung und wohl auch Zentrum des Albums ist Robert Schumanns Cellokonzert a-moll op. 129. Perényis Interpretation dieses Klassikers des Cellorepertoires (der absurderweise bis zum heutigen Tag gelegentlich noch etwas skeptisch beäugt wird, wenn man etwa hie und da liest, das erste romantische Cellokonzert von Rang sei das – unbenommen großartige! – Dvořák-Konzert gewesen) zeigt exemplarisch die Qualitäten auf, die sein Spiel (nicht nur auf dieser CD) kennzeichnen. Sein Ton ist schlank, agil, dabei fein austariert und stets von einer gewissen Wärme geprägt, niemals forciert, in der Tendenz eher etwas zurückgenommen wirkend. Dabei disponiert Perényi die Intensität seines Spiels klug, indem er sich wesentlich an der Architektur der Musik orientiert. Im Zentrum steht also weniger der Moment, die Zuspitzung einzelner Phrasen (die er in der Regel eher ruhig-fließend gestaltet), sondern die großen Bögen und Linien der Musik, ihre Dramaturgie. Die von ihm gewählten Tempi sind flüssig, aber nicht hastig.
Poesie und TiefsinnIm Concerto Budapest unter der Leitung von András Keller steht Perényi ein kompetent begleitendes, die häufigen dialogischen Strukturen des Konzerts (zwischen Solist und Orchester) ansprechend gestaltendes Ensemble zur Seite. Insgesamt eine Interpretation, die die gesangliche Natur, die Poesie und den Tiefsinn von Schumanns Konzert vorzüglich nachvollzieht, ohne dabei jemals sentimental zu wirken. Wohlgemerkt: bei einem so vielschichtigen, von Generationen von Cellisten eingespielten Werk wie Schumanns Konzert ist es schlechterdings unmöglich, eine (einzige) definitive Lesart herauszufiltern, und sicher wird man andere Interpretationen finden, die z.B. einen stärkeren Fokus auf die unruhig drängenden, nervösen Seiten dieses Werks legen. Was Perényis Neuaufnahme aber sehr wohl bietet, ist eine ausgesprochen schlüssige, ihren eigenen Interpretationsansatz sehr überzeugend realisierende Darbietung des Konzerts.
Souveränes Musizieren mit kongenialem PartnerBei den übrigen Werken auf der CD wird Perényi von seinem langjährigen Klavierpartner Dénes Várjon begleitet, mit dem Perényi vorzüglich harmoniert, ein aufeinander eingespieltes, ähnliche musikalische Schwerpunkte setzendes Duo. Als besonders gelungen darf man die Aufnahmen von Kodálys Ungarischem Rondo und von Bartóks Rhapsodie für Violoncello und Klavier Sz 88 (also der Bearbeitung der Rhapsodie für Violine Nr. 1; die CD bezieht beide Varianten ihres Schlusses mit ein) betrachten. In diesem Idiom ist Perényi völlig zu Hause, die ungarische Folklore trägt er mit großer Natürlichkeit (insbesondere im Rubato) vor, und gerade hier kann man vorzüglich nachvollziehen, wie er aus einer Position der Balance heraus, Extreme also vermeidend, Steigerungsbögen exzellent disponiert (man betrachte etwa die plötzliche Intensivierung des Ausdrucks im 2. Satz der Rhapsodie ab Ziffer 9). Ruhig, eher abgeklärt die Interpretation von Bohuslav Martinůs ganz späten Variationen über ein slowakisches Thema, ein sehr schönes Werk, das trotz des elegisch getönten Variationsthemas doch eher von spielerischer Serenität geprägt ist. Die ansprechende Bearbeitung von Debussys La plus que lente stammt vom leider schon von Jahren verstorbenen Zoltán Kocsis, und schließlich spannt Perényis luzide, souveräne Interpretation von Felix Mendelssohn Bartholdys Variations concertantes (mit denen die CD beginnt) wieder den Bogen zum Schumann-Konzert.
Das Beiheft ist solide, die Klangqualität ausgezeichnet. Bei den Zyklen von Mendelssohn und Martinů hätte die Möglichkeit bestanden, die Variationsstruktur durch eine entsprechende Unterteilung in Tracks nachzuvollziehen, andererseits ist dies bei einer Gesamtdauer von jeweils etwa neun Minuten sicherlich nicht zwingend erforderlich. So oder so eine vorzügliche cellistische „Summary“ (auf die natürlich nichtsdestoweniger hoffentlich noch mehr folgen wird).
Holger Sambale<< zurück