Die Bedeutung von Miklós Perényi als Cellist kann man kaum überschätzen, doch der 1948 in Budapest geborene Meister ist bis heute eher ein Musiker für Musiker geblieben, als dass er der flott vermarktbare Typ fürs CD-Geschäft geworden wäre, wo schillerndere Protagonisten seiner Generation wie Mischa Maisky oder Heinrich Schiff jedenfalls mehr Erfolg hatten. Immerhin konnte Perényi bis zur Wende 1989 bei Hungaroton, dem damals staatlichen ungarischen Klassiklabel, ein breites Repertoire zwischen Barock und Gegenwart einspielen. Mir begegnete sein Name zum ersten Mal vor über zwanzig Jahren bei gebrauchtem Vinyl auf einem Flohmarkt. Das Trio op. 8 von Brahms, interpretiert von den Geschwistern Eszter (Violine) und Miklós Perényi mit Gyula Kiss am Klavier (LP, Hungaroton SLPX 11769 von 1976) sowie die Cello-Sonaten von Brahms mit Zoltán Kocsis (LP, Hungaroton SLPX 12123 von 1980) kaufte ich ohne große Erwartungen. Später, beim Hören, war ich baff ob der Schönheit dieser Aufnahmen. Schlichtheit und Eleganz verbanden sich mit Ausdruck. Da waren ein Ernst und eine Anmut drin, die man in den Starprodukten des Westens selten fand. So was vergisst man nicht. Pianisten wie Zoltán Kocsis oder András Schiff (mit dem er 2005 für ECM alle Werke für Cello & Klavier von Beethoven eingespielt hat) schätzten Perényi als Partner auf Augenhöhe – und er sie.

Andreas Spreer von Tacet hat den Cellisten nun gefragt, was er am liebsten einspielen wolle. Es entstand ein Programm mit Musik von Mendelssohn und Debussy sowie Martinů und Kodály bis Bartók, wobei das Cellokonzert von Schumann die zentrale Achse bildet. Summary heißt die Reihe, alte Musiker stehen im Mittelpunkt. Es gibt sie in jeder Generation: die Kontrastschärfer, Tempostraffer und Allesandersmacher – Musiker, die so lange an den Stellschrauben der Musik drehen, bis jeder kapiert hat, wie individuell bis genial ihre Interpretation ist. Das meidet Perényi, das mied er aber schon vor vierzig Jahren. Sein Spiel lotet weniger die Extreme als die Möglichkeit der Konzentration aus: Intensität ohne Brausen, Ausdruck aus kleinen Gesten, Vorrang für das Singen. Das Schumann-Konzert gelingt auf konventionelle Weise schön, geistreich, poetisch, auch weil Perényi sich die Makellosigkeit seines Cello-Spiels offenbar bis heute bewahren konnte. Es ist arm an Im besten Alter Jugendlicher Esprit oder Altersweisheit sind Klischees. Manchmal treffen sie, manchmal nicht. Darum soll hier von Lebensjahren, wenn überhaupt, eher nebenbei die Rede sein. Wie immer geht es in erster Linie um empfehlenswerte neue Aufnahmen. 4/2022 image-hifi.com 159 Nebengeräuschen und reich an Nuancen. Ich würde seine Aufnahme nicht höher bewerten als die von Anne Gastinel, Jan Vogeler oder Truls Mørk, den Favoriten aus meinem Interpretationsvergleich vor zehn Jahren (image hifi 5/2012), aber es ist auch in diesem Kontext ein Glück, Perényi und das Concerto Budapest zu hören. Man darf ihn bloß nicht als altersmilde missverstehen. Perényi kann nämlich auch anders. Das Arrangement der ersten Rhapsodie für Violine & Klavier von Bartók oder das ungarische Rondo von Kodály haben rhythmischen wie artikulatorischen Biss und kräftig aufgetragene Farben, die typische Eleganz seines Spiels scheint zwar immer durch, wird aber um eine totale Vertrautheit mit Musik des 20. Jahrhunderts und ihrem erweiterten Klangspektrum bereichert. Auch da hat er in Dénes Várjon wieder einen starken Pianisten mit eigenem Kopf an seiner Seite und es entsteht großartiges Duo-Spiel.

Heinz Gelking

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