Finster schaut das skizzierte Konterfei von Johannes Brahms auf dem CD-Cover den Betrachter an, und die abermals nüchterne Aufmachung der Tacet-Produktion suggeriert zunächst schwere Kost. In der dritten Folge on Brahms’ Klaviertrios mit dem Abegg Trio stehen op. 40 (Waldhorn) und die Sextett-Bearbeitung op. 36 auf dem Programm.
Dass bei Brahms selbst die Kammermusik keine beschauliche Abend-Unterhaltung ist sondern die höchsten ästhetischen Maßstäbe der Orchestermusik in sich aufnimmt, ist bekannt. Der klanglich intime Rahmen umfasst zwar weder komplexe Instrumentations-Kunst noch virtuose Effekte, dafür tiefgründige Melodik und eine aussagekräftige Themenverarbeitung von beispiellos geringem Aufwand. Seit der ersten Brahms-Biographie begleiten die Trios die Frage nach ihrem eigentlichen programmatischen Sinn, da man selbst Brahms nicht nur „tönend bewegte Formen“ als Inhalt der Musik abnehmen wollte. Im gelungenen Einführungstext spielt der Autor jedenfalls auf eine unglückliche Liebe an. Wie dem auch sei, das Abegg Trio geht die Sache nicht unbedingt distanziert, aber nüchtern an. Es gibt keine schmachtenden Glissandi oder Portamenti, sondern wohlkalkulierte Ausbrüche und Akzente und eine Musikalität, die sich – scheinbar – aus dem Antrieb speist, erst einmal alles richtig zu spielen. Dass das der dennoch tief empfundenen, wunderbar tiefgehenden Musik von Brahms nicht unbedingt schadet, liegt an dem auch ohne Übertreibungen völlig offenliegenden Ausdruck der Werke selbst. Dennoch wird jede Wendung ernst genommen, kein Leitton wird verschluckt und die für Brahms so typischen rhythmischen Verschiebungen nicht verwässert. Die intime Wirkung des Ganzen beruht maßgeblich auf der „historischen“ Aufführungsweise. Dem Ventilhorn wurde das „schmutzigere“ (Harnoncourt im Begleittext) Waldhorn vorgezogen, die Streichinstrumente stammen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und der Hammerflügel sorgt schließlich für den typisch zarten, fast resonanzlosen Klang in der Begleitung.
Letztlich ist an dieser Produktion alles auf die unanfechtbare Meisterschaft von Brahms ausgerichtet, künstlerisch und editorisch. Der Autor des in Gehalt und Vielschichtigkeit hervorragenden Einführungstextes – Jan Reichow – nutzt die ihm gegebenen neun Seiten und führt hintergründig und ansprechend den von Liebesleid geprägten jungen Komponisten und die davon beeinflussten Trios zusammen. Wer zu Brahms’ wegweisender Kammermusik bislang (noch) keinen Zugang gefunden hat, sollte spätestens jetzt die Sinfonien und das Deutsche Requiem einmal kurz beiseite legen – mit dieser Aufnahme könnte die Überraschung nicht größer sein.
Tobias Gebauer
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Tobias Gebauer
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