"Was hat Frauenpower mit Schattenpflanzen zu tun? Letztere blühen im Verborgenen und zählen oft zu den schönsten. Joseph Haydns rund 40 Klaviertrios könnte man dazuzählen. Zu Unrecht leben sie im stillen Halbdunkel und nicht im hellen Licht wie viele seiner Sinfonien oder Streichquartette. Dabei fehlt es hier nicht an Witz und Charme und dem vielzitierten Haydnschen Einfallsreichtum. Erst recht, wenn so frischweg und aufmerksam musiziert wird wie von den drei Spielerinnnen des Trio Vivente. Das sind Anne Katharina Schreiber (Violine), Kristin von der Goltz, (Violoncello) und Jutta Ernst (Klavier). Bereits mit ihrer ersten CD legten die drei Power-Frauen eine ungewöhnlich originelle und witzige Einspielung von Haydn-Trios vor. Jetzt präsentieren sie Folge zwei ihrer geplanten Gesamteinspielung, wieder beim Label EigenArt.
(...) Sehr lebendig - eben vivente, wie der italienische Ensemblename sagt - und mit viel Entdeckerfreude sind sie in Haydns Partituren unterwegs. Selten wird so stimmig phrasiert und mit so ausgefeilter Klangbalance musiziert. 1992 gegründet gilt das Trio Vivente inzwischen als Geheimtipp in der Kammermusikszene. Neben Haydn haben die Musikerinnen 2005 ein Album mit Schubert-Trios produziert und bekamen prompt einen Preis dafür, den Luxemburgischen Supersonic-Award. Das neue Haydn-Album (...) umfaßt die Trios der mittleren Schaffensperiode, der 1780er Jahre. Experimentierlaune führte Haydn zu sehr individuellen Ergebnissen, weg von der frühen Triosonate. Aus harmlosen Liebhaber- oder Salonstücken, die man als Klaviersonate mit Begleitung von Violine und Cello bezeichnen kann, werden echte Trios, denn die beteiligten Instrumente sind nun gleichberechtigte Partner. Bei dem Trio Nr. 12 in e-Moll schlägt Haydn im Kopfsatz zunächst auffällig herbe, leidenschaftliche Töne an. Und bevor dann das rasante Schlußrondo die letzten Grillen verteibt, verbreitet ein Siciliano in E-Dur ein wenig Rokoko-Parfum.
Feinsinnig, spontan und überzeugend - so klingt musikalische Frauenpower mit dem Trio Vivente. (...) Auf ganz eigene Art entdecken die drei Frauen Haydns witzige und spitzbübische Kammermusik. Man stellt sich "Papa Haydn" vor, wie er mit diebischer Freude die Verwirrungen seines Publikums genießt, und dann mit Unschuldsmiene und galantem Schritt in die geordnete Welt der Klassik zurückkehrt. (...)"
Gisela Walther

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