Wie einsam ein Klavierspieler vor seinen Tasten sitzt und greifend sich und allen, die ihn hören, ein Universum eröffnet, diese Klänge machen es deutlich: möglicherweise liegt es an der Tonart d-Moll, oder an Evgeni Koroliovs bezwingendem Spiel, oder an beidem, dass hier ein Konzentrat entsteht, eine Essenz des alleinigen Musizierens. Bachs Französische Suiten geben diesem alleinigen Tun einen Sinn. Was auch daraus resultieren mag, dass Bach seine insgesamt sechs Klaviersuiten zum internen Gebrauch innerhalb seiner Familie und für seine Schüler als Unterrichtsmaterial komponiert hat. 1722, zu seiner Zeit als Kapellmeister in Köthen. Erste Fassungen der Suiten finden sich bereits in dem Clavier-Büchlein für Anna Magdalena Bach, Bachs zweiter Ehefrau. Das Französische an den Suiten meint die Satzfolge, die sich an fünf tradierten französischen Tänzen orientiert: Allemande, Courante, Sarabande, Menuett und Gigue. Dieses Muster erweiterte Bach wahlweise um einige Tänze wie Anglaise, Air, Loure oder Bourrée. Auch die Tonartenwahl mit drei Moll-Tonarten und drei Dur-Tonarten unterstreicht den didaktischen Charakter der Suiten. Obwohl die Französischen Suiten in ihrer technischen Anforderung moderater sind als ihr Pendant, die Englischen Suiten, wird keine Stimme zur bloßen Nebensache. Gerade die Transparenz des Satzes braucht das detaillierte Aushören, weil hier kein vollgriffiger Virtuosenpinsel drübergewischt werden kann. Darin, so scheint es auf dieser CD, liegt die herausragende Interpretationskunst des Pianisten Evgeni Koroliov. Sein Spiel wirkt nachlauschend, bedächtig, als würde er gerade aus dem Stehgreif fantasieren. Seine Verzierungen dosiert der renommierte Bachspezialist voller Sorgfalt, der warme Klang des Flügels atmet kammermusikalische Nähe. Cantabile führt Koroliov durch galante und nachdenkliche Passagen. Tänzerischen Drive gestaltet er als innere freudige Belebung, abgelöst von Momenten stummen Betrachtens, in denen sich der Pianist wohltuend die Freiheit nimmt, sich selbst zu entfalten. Die dramaturgische Abfolge der einzelnen Suitensätze ist derart präzise abgestimmt, dass erst mit dem letzten Ton der finalen Gigue der Bachsche Kosmos erfüllt durchschritten ist. So wird das vermeintlich Kleine ganz groß. Julia Schölzel

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