"In Zeiten wie dieser sehnen wir uns nach Innovationsschüben, Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten. In Politik und Wirtschaft halten die Entscheidungs- und Mandatsträger mit angstvollen Augen Ausschau nach den Transmissionsriemen des Fortschritts. Begriffe, Modelle und Visionen werden beschworen - alles unternommen, um endlich Licht am Ende des Tunnels zu verkünden.
Nein, es geht hier nicht um die Fortsetzung der "Themen der Tages" unter wirtschaftspolischem Vorzeichen, es geht nicht um Berichte aus den Koalitionsverhandlungen, sondern es geht um Musik, die all das erfüllt, wovon heute Mandatsträger und Wirtschaftsbosse träumen.
Zu den innovativsten Notensetzern gehörte Wolfgang Amadeus Mozart: nicht nur die psychologische Zeichnung seines Opernpersonals ist einmalig, auch im Bereich der Instrumentalmusik hat er das Rad der Geschichte weitergedreht. Zu seinen "Erfindungen" - mit weitreichenden Folgen - gehört die Gattung des Klavierquartetts. Die beiden Werke die Mozart für die Besetzung Streichtrio plus Klavier geschrieben hat, hat nun das Gaede-Trio zusammen mit dem Pianisten Markus Schirmer bei Tacet vorgelegt.
Mozart schrieb seine beiden Klavierquartette in den Jahren 1785 / 86. Es sind Quartette, die mehr sind als das Gespräch von vier "vernünftigen Leuten", wie Goethe so treffend über die Gattung Streichquartett bemerkte. In Mozarts Klavierquartetten geht es oft weit über das kultivierte Dialogisieren hinaus: hier spielt man sich in den Vordergrund, trägt die eigene Eitelkeit zur Schau; kurz: hier wird hemmungslos konzertiert.
Und auf der anderen Seite heißt es: sich zurücknehmen, einfügen in wohldurchdachte Passagen intensiver thematischer Arbeit. All dies prägt die Werke der Gattung Klavierquartett ab dem g-moll Werk von Mozart. Denken wir hier nur an die Klavierquartette von Schumann, Dvorak oder Brahms - um nur die bekanntesten zu nennen. Mozarts g-moll Quartett ist der Grundstein einer Gattung - aber auch, und dies sei hier am Rande vermerkt, ein Beitrag zur "g-moll"-Diskussion. Die Tonart g-moll stand in den 70 ziger und 80 ziger Jahren des 18. Jahrhunderts für schroffe Kantigkeit, die aufrüttelte und mit ihrer kaum zu zähmenden Vitalität eher für den Begriff Sturm und Drang stand, als für die ausbalancierte Labilität der Wiener Klassik.
Ein Ensemble für Klavierquartette zu finden, ist nicht einfach: man kann es mit einem Klaviertrio probieren, zu dem ein Bratscher als Gast dazu kommt, oder mit einem Streichquartett, zu dem man einen Pianisten ein- und einen Geiger auslädt. In beiden Fällen handelt es sich allerdings um Kompromisse, geht man bei den Überlegungen Mozarts Klavierquartette aufzunehmen, von Mozarts Partituren aus. Diese sprechen eine deutliche Sprache: dem Streichtrio steht ein Klavier gegenüber. Und so konnte die Besetzung bei der vorliegenden Aufnahme nicht besser gewählt werden: zunächst ist da ein Streichtrio: Das Gaede-Trio. Es ist in der Szene alles andere als ein Unbekannter; es ist vielmehr eins der gefragtesten Streichtrios überhaupt. Die Aufnahmen des Ensembles, wie auch die vorliegende, bestechen durch technische Perfektion und durch tiefe Durchdringung des musikalischen Satzes. Das Trio spielt ebenso flexibel, wie zupackend, es bietet dem Pianisten die Stirn, oder trägt ihn auf Wolken, je nachdem. Markus Schirmer lässt sich nicht beirren: er gibt den Ton, dezent, aber bestimmt. Fordernd, aber nie forsch, zurückhaltend, aber nie melancholisch: das sind die Eckpunkte seiner Mozart - Interpretation. In Klarheit und Flexibilität steht er dem Trio nichts nach.
Mozart aus einem Guss - mehr ist zu dieser Aufnahme nicht zu sagen."
Michael Krügerke

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