Klassik-heute-Empfehlung. Höchstnote für Künstlerische Qualität, Klangqualität und Gesamteindruck "Wo liegt Freden? Nach dieser Neuaufnahme des Schubert-Oktetts duldet die Frage keinen Aufschub mehr. Alljährlich im August veranstaltet der bislang nur Eingeweihten bekannte Festspielort in der niedersächsischen Provinz die "Internationalen Musiktage", deren Ensemble, die camerata freden, vor wenigen Monaten bereits mit einer beachtlichen Einspielung des Beethovenschen Septetts aufwarten konnte. Eine derart fesselnde und wagemutige Schubert-Interpretation wie diese aber wird man nicht alle Tage - auch nicht alle Festtage - zu hören bekommen, mitreißend, überraschend und unberechenbar vom ersten bis zum letzten Takt. Die musikalische Phantasie der camerata kennt keine Grenzen. Unter nervöser Hochspannung musizieren sie das Allegro, den Kopfsatz des Oktetts, schwerelos und traumverloren dagegen das Adagio (mit einem "bösen Erwachen" am Schluß); in den Variationen singt das Horn wie sonst nur bei Strauss, dann wieder meint man, dem Soundtrack eines Krimis zu lauschen oder glaubt beinah, ein feinmaschiges Klanggespinst à la Ligeti zu vernehmen.
Und wie aufregend unkonventionell klingt danach selbst das Menuett! Schon lange vor dem Finale sitzt der Hörer auf der vordersten Stuhlkante - wenn es ihn bei dieser Aufnahme überhaupt noch im Sessel hält. Um freilich kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Es handelt sich hier nicht um die einzig wahre Muster- und Referenz-CD, vieles im Schubert-Spiel der camerata wirkt sogar ausgesprochen unfertig, unvollendet, bleibt dem Experiment verhaftet, dem Augenblick, der momentanen Eingebung. Darin aber liegt ja gerade die unvergleichliche Stärke dieser Interpretation. Also - auf nach Freden!"
Wolfgang Stähr

<< back