Schon lange gilt der unscheinbar wirkende Pianist Evgeni Koroliov nicht mehr als Geheimtipp. Seine Bach-Interpretationen haben Maßstäbe gesetzt und der Kommentar des Komponisten György Ligeti, er würde Koroliovs Einspielung der "Kunst der Fuge" "einsam und verdurstend" mit auf eine einsame Insel nehmen, ist mittlerweile geradezu legendär. Um sein Bach-Kompendium zu vervollständigen, hat Koroliov nach der "Kunst der Fuge" und dem "Wohltemperierten Klavier" nun beim Label TACET die "Französischen Suiten" eingespielt.
Für alle Koroliov-Fans eine Bereicherung, denn wieder besitzt das Spiel des russischen Pianisten eine suggestive Sogkraft, wie sie selten zu hören ist. Unter seinen Händen entfaltet sich eine tief beseelte Musik voller Magie. Besonders deutlich wird dies in der zweiten Suite c-Moll. Dabei klingt alles schlicht und einfach. Aber genau darin liegt die Schwierigkeit. Den Notentext mit seinem engen Beziehungsgeflecht transparent und doch nicht unterkühlt zu deuten.
Koroliov scheint jeden Ton zu erfühlen, zu beleuchten und offenbart damit die reine Schönheit der Musik. Galant und auch mit tänzerischer Verve gestaltet er die Sätze und behält immer das richtige Maß, vermeidet dynamisches Gleichmaß ebenso wie interpretatorische Ausschweifungen.
Die Suiten, die sich an der Satzfolge fünf französischer Tänze - Allemande, Courante, Sarabande, Menuett und Gigue - orientieren, komponierte Bach als Unterrichtsmaterial, drei in Dur- und drei in Moll-Tonarten. Mit welcher Gelassenheit Koroliov den didaktischen Anspruch mit reiner Poesie verbindet, ist einzigartig. Kurzum: eine wunderbare Aufnahme!
Anja Renczikowski

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