So eine CD sieht man zunächst einmal skeptisch an: ein reines Hugo Wolf-Programm mit unbekannten Interpreten-Namen, das ist ein gefährliches Terrain! Doch schon die erste der Sechs alten Weisen von Gottfried Keller beruhigt, nein, mehr, sie regt an, und das Ohr verlangt nach mehr, denn hier ist eine Sängerin am Werk, die Wolfs oft sperrige Klangwelt aufbricht und die Musik mit Menschlichkeit füllt. Marret Winger spürt den feinen Gefühlsregungen in den Texten und in der Musik nach und bringt sie mit gesunder Überzeugung zum Ausdruck: natürlich und ohne Übertreibung, immer aber mit Herz und Seele. Dieses warmherzige Gestalten wird gepaart mit dem Klang einer u.a. bei Elisabeth Schwarzkopf und Dietrich Fischer-Dieskau ausgebildeten silbrigen Stimme, die sich durch ein sehr charakteristisches leichtes Vibrato auszeichnet. (...) Neben den Sechs Alten Weisen nach Gottfried-Keller-Texten sind Goethe-Lieder, drei Mörike-Vertonungen (Elfenlied, Das verlassene Mädchen, Er ist′s) und je zwei Stücke aus dem Spanischen und dem Italienischen Liederbuch zu hören.
Besonders hervorzuheben ist die Begleitung durch Steffen Hartmann, der für die Sängerin ein ebenbürtiger musikalischer Partner ist und mit seiner starken, prägnanten Rhetorik ebensoviel zum Höreindruck beiträgt wie die Sängerin. Er spielt hochkonzentriert, voller Spontaneität und spannungsvoller Energie und betont die dramatischen Momente gerne mit zuweilen sehr kräftigen Tönen. Die Toningenieure haben das schlank klingende Klavier in eine optimale Balance zum Gesang gebracht, was ein weiteres Plus dieser CD ist, bei der sich alle Fragezeichen, die man sich anfangs stellte, aufgelöst werden. ReF

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