Es ist ein faszinierendes Kompositionsprinzip, das Chopin seinen Mazurkas zugrunde gelegt hat: Im Gegensatz zu den anderen Miniatur-Gebilden wie den Nocturnes, den Walzern oder den Etüden ziehen sich diese Stücke völlig in das Schneckenhaus ihrer Innerlichkeit zurück. Sie kennen weder explosive Momente noch diese grotesken motivischen Verzerrungen, die das Thema mit so viel Sprengstoff unterminieren und nach dem bekannten Bonmot Schumanns in Wirklichkeit "unter Blumen eingesenkte Kanonen" sind. Hier hingegen wird alles von einer clownesken Trauer überschattet, strömt die Musik in vollendeter Melancholie dahin. Evgeni Koroliov versteht sich in Vol. XI der "Koroliov Seire" sehr schön auf die interpretatorischen Feinheiten, die mit dieser Klangsprache verbunden sind: Dank seines Gespürs für strukturelle Klarheit und der unaufgeregten, ganz der Melodie verpflichteten Spielweise entstehen (wie in der unsagbar traurigen a-Moll-Mazurka op. 17) leuchtende Preziosen, die einmal mehr das hohe handwerkliche Können des 1040 in Moskau geborenen Pianisten unter Beweis stellen. Immer wieder ist in den Mazurkas auch das Vorbild Bach herauszuhören, dem Koroliov von frühester Jugend an verbunden ist. Dass Bach und Chopin über die Klammer Polyphonie viel enger zusammengehören, als gemeinhin anenommen wird, kommt in dieser Aufnahme ebenfalls schön zur Geltung.
Rafael Sala

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