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Prächtige Hommage

"Wie schön, dass Steuermanns Aufnahme der Klavierstücke von Schönberg endlich wieder verfügbar ist; sie ist der klassische Maßstab für die Interpretation dieser Stücke." Das Lob auf der Plattenhülle dieser Hommage kommt aus berufenem Munde, nämlich von Alfred Brendel, der selbst noch einzelne Klavierstunden bei Eduard Steuermann genommen hatte. Die nun wieder vorliegende Aufnahme der Soloklavierwerke Schönbergs hatte Steuermann 1957 für die amerikanische Columbia aufgezeichnet. Andreas Spreer hat die historischen Mono-Aufnahmen nun von einer LP übertragen und sorgsam, mit verblüffend gutem Ergebnis restauriert.

Steuermanns Schönberg-Aufnahmen besitzen insofern Authentizität, als Steuermann (1892-1964) seit 1912 in Berlin von Arnold Schönberg unterrichtet wurde, ihm später nach Wien folgte und dort zum wichtigsten Pianisten des Schönberg-Kreises wurde. Steuermanns Schönberg ist dabei im wahrsten Sinne des Wortes "klassisch". Denn das von Brendel später im Bereich des klassisch-romantischen Repertoires verwirklichte Ideal der Texttreue findet sich in Steuermanns Schönberg Interpretation bereits mustergültig verwirklicht. Vergleicht man etwa seine Interpretation der sechs kleinen Klavierstücke op. 19 mit derjenigen von Glenn Gould, der sich seit den 1950er Jahren ebenfalls nachdrücklich für die Musik Schönbergs eingesetzt hatte, dann fällt auf, wie mitschreibereif genau - auch in der Darstellung der von Schönberg bis ins Detail festgelegten dyamischen Verhältnisse - Steuermann die Stücke spielt. Da wirkt Goulds Darstellung geradezu extravagant, da dieser teilweise gegen den Notentext artikuliert und die dynamischen Anweisungen Schönbergs ignoriert. Steuermann stellt Schönbergs kühne Konstruktionen sehr geradlinig und direkt dar, was aber nicht weniger expressionistisch wirkt als die etwas klangsinnlichere Auslegung Goulds.

Die zweite CD würdigt den Komponisten Eduard Steuermann, und zwar in stilistisch sehr verschiedenen Werken: Steuermanns Suite für Klavier, zwischen 1949 und 1951 entstanden, knüpft nur noch im Titel des ersten Satzes, "Prelude", an das Vorbild der barocken Suite an, ist ansonsten eine Sammlung von Charakterstücken, welches schon die Satzbezeichnungen "Melody", "Misterioso", "Choral" oder "March" andeuten. Dass Steuermann ein begeisterter Gefolgsmann Schönbergs war, lässt sich gut heraushören. Thomas Hell interpretiert die expressionistische Musik mit großer Intensität.

Eine ganz andere Seite Steuermanns, nämlich eine unterhaltsam-leichte, zeigen die Arrangements für zwei und drei Klaviere. Erika Haase, Carmen Piazzini - und bei den Bearbeitungen für drei Klaviere noch Ulrike Moortgat-Pick - spielen das mit Verve und Klangsinn. Hauptwerk ist die mehr als 17 Minuten lange Paraphrase über Themen aus Johann Strauß' "Fledermaus", bei der Haase und Piazzini genüsslich im Dreivierteltakt schwelgen. Schwungvollübermütig kommt Strauß' zweiminütiges "Perpetuum mobile", ebenfalls für zwei Klaviere bearbeitet, daher. Poulencs "Toccata ; an sich schon für zwei Klaviere komponiert, hat Steuermann in seiner Fassung für drei Klaviere durch die Hinzufügung zahlreicher Nebenstimmen hinreißend übersteigert. Schuberts "Wohin?" hingegen wirkt trotz des auf drei Klaviere verteilten Satzes immer noch verhältnismäßig schlicht.

Erika Haase hat im Booklet eine kleine Erinnerung an ihren ehemaligen Lehrer verfasst. Weiterhin würdigen Russell Sherman seinen früheren Lehrer und Michael Gielen seinen Onkel - in beiden Fällen Eduard Steuermann. Zu beachten ist auch der umfangreichere Text von Volker Rülke sowie Steuermanns eigene Analyse der Schönberg'schen Klaviermusik. Eine außergewöhnlich gelungene Hommage.

Gregor Willmes

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