Als Gounods Hauptwerk wird gerne das Ave Maria genannt, gefolgt von Margarethe (alias Faust). Weine weiteren Opern, Messen und Oratorien tauchen in Lexika und kaum auf CD auf. Auch diese Symphonien von 1855 sind Raritäten. Beide Werke stellte vor kurzem Oleg Caetani (cpo) leichtfüßig und schwungvoll vor. Nikolic, seit seinen Pentatone-Aufnahmen als Geiger-Dirigent bekannt, sieht sie verinnerlicht, fast tiefgründig. Gounod war auch Direktor des Opheon-Großchors in Paris, wo es um das Gestalten gesanglicher Harmonien ging. Die Gesanglichkeit mochte auch Bizet, Gounods Schüler, zu seiner ein Jahr später entstandenen Symphonie in C-Dur angeregt haben. Querbezüge gibt es etwa beim Seitenthema im 1. oder der Kantilene im 2. Satz. Bizet war es jedoch gegeben, Spannungsbögen zu formen, während man sich bei Gounod konzentrieren muss, da seine Stimmung oft wechselt und Motive mit unerwarteten Vorbildern, etwa Beethovens Neunte, Mendelssohn oder Haydn, vorbeiziehen. Nikolic entfaltet die langsamen Sätze mysteriös aus dem Pianissimo heraus und punktet durch die kammermusikalische Feinzeichnung seines engagierten Orchesters. Räumlich ansprechender, tiefengestaffelter Klang. Hörenswert!
Ludwig Flich

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