Etliche - auch Klavierenthusiasten - werden als Erstes fragen: Wer ist denn Eduard Steuermann? Leider ist der Name dieses universellen Pianisten und Komponisten fast vollkommen in Vergessenheit geraten. Und dies, obwohl er in seiner Zeit eine immense Wirkung innerhalb der Musiklandschaft hatte. 1892 in Sambor in Galizien (heute Ukraine) geboren, erhielt er seinen ersten Klavierunterricht von seiner Mutter, bevor er nach Lemberg ging, um dort bei dem Busoni-Schüler Vilem Kurz in die Ausbildung zu gehen. Als letzte Instanz erhielt er dann seine endgültigen Weihen von Ferruccio Busoni selbst in Berlin. Als er 1912 auf Arnold Schönberg traf, war dies die entscheidende Begegnung für ihn. Er wurde in der Folge zu dem wohl wichtigsten Pianisten der gesamten Schönberg-Schule, ging nach dem 1. Weltkrieg nach Wien, wo er Freundschaft mit Rudolf Kolisch und Theodor W. Adorno schloss, der bei ihm Klavierunterricht nahm. Zudem war er der maßgebliche Pianist in dem von Schönberg gegründeten "Verein für musikalische Privataufführungen". Er machte sich nach und nach einen Namen als Pianist. Als die Nazis die Herrschaft in Europa an sich rissen, emigrierte er widerwillig in die USA und ließ sich in New York nieder, wo er eine Professur an der Juilliard School of Music übernahm und so bekannte Pianisten wie Jerome Lowenthal und Russell Sherman als Studenten ausbildete. 1964 verstarb er in New York.

Die nun bei TACET vorliegende "Hommage" enthält zwei CDs, die Steuermann auf unterschiedliche Art beleuchten. Als Erstes ist da eine CD, auf der alle Klavierwerke Schönbergs in der Interpretation von Steuermann zu hören sind. Und schnell bemerkt man die Sinnlichkeit, die Steuermann in diesen Werken zugrunde legt. Sei es in den frühen "Klavierstücken" Opus 11 oder auch den Klavierstücken aus Opus 19. Und selbst den Klavierstücken Opus 23 kann er lyrische Phrasierungen abgewinnen, die das Vorurteil über Schönberg als rein konstruktiven Komponisten widerlegten. Ab der Suite Opus 25 wird dann allerdings die Tonsprache Schönbergs anders, verhaftet bereits in der Idee der 12-Ton-Technik. Steuermann zeigt sich als brillanter Pianist, der diese Werke 1957 einspielte.

Die zweite CD nun hält Werke des Komponisten Eduard Steuermann parat, um dem Zuhörer ein Gesamtbild dieses faszinierenden Musikers zu zeichnen. Thomas Hell spielt dessen Suite. Und natürlich ist die Tonsprache derjenigen Schönbergs sehr ähnlich, auch wenn Steuermann - ganz Pianist - den Tonraum fast weiter nimmt als sein Lehrer Schönberg. Dennoch sind Lehrer und Schüler nicht zu verleugnen, auch wenn man Steuermann nur ungern Epigonentum nachsagen will... Erika Haase, die bei Steuermann in Darmstadt Kurse besuchte und Carmen Piazzini spielen dann die Johann-Strauß-Arrangements Steuermanns für zwei Klaviere, aus dessen "Fledermaus" ebenso wie das "Perpetuum mobile". Und hier ist seine Arbeit mindestens so berauschend wie ehedem Schönbergs Arrangement von Strauß' "Rote Rosen" für Kammerorchester. Zu den beiden Pianistinnen gesellt sich dann noch Ulrike Moortgat-Pick, um am dritten Klavier mit den anderen Francis Poulencs "Toccata" und Franz Schuberts "Wohin?" zu spielen. Und allen drei Pianistinnen merkt man den Spaß und die Freude an dieser Musik an.

Diese Hommage ist eine wunderbare Gelegenheit, sich des Pianisten und Komponisten Eduard Steuermann zu erinnern oder sich ihm erstmals zu nähern.
Carsten Dürer

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