"Auf der vorliegenden CD-Neueinspielung nimmt sich das renommierte Abegg-Trio einiger Stiefkinder unseres Musikbetriebs an: vier der Klaviertrios von Joseph Havdn, die nun einmal unleugbar ihrem historischen Stand nach noch zur Gattung der Klaviersonate mit Begleitinstrumenten gehören. Die Neueinspielung will darüber auch gar nicht hinwegtäuschen: im Mittelpunkt steht stets der Pianist Gerrit Zitterbart, der die geradezu konzertanten Ansprüche des Haydnschen Klaviersatzes in diesen Werken mit Bravour meistert. Der Geiger Ulrich Beetz hält sich gelegentlich im Dialog mit der Klavieroberstimme sogar ein wenig zu sehr zurück. Birgit Erichson nutzt die Möglichkeiten ihres Celloparts immerhin aus, um sich unaufdringlich, aber doch fühlbar in Dynamik, Artikulation und Wechsel der Oktavlage vom Klavierbaß zu emanzipieren.
Die CD enthält neben dem bekannteren G-Dur-Trio mit dem Rondo all′ ongarese auch die Trios Nr. 27, 29 und 31 der Hobokenschen Zahlung und macht mit Nachdruck auf ein Oeuvre von Rang aufmerksam: Diese späten Werke Haydns, die ja schließlich parallel zu den letzten großen Sintonien entstanden sind, zeigen die gleiche meisterliche Reife, fesseln durch formale Eigenwilligkeiten, durch improvisatorische Züge oder Mischformen aus Variation, Sonate und Rondo, und auch durch überraschend mediantenverliebte Harmonik und Tonartendisposition, wie man sie gemeinhin erst bei Beethoven und Schubert sucht.
Die Aufnahmen des Abegg-Trios bringen die überragende spirituelle Qualität von Haydns Musik, ihren Witz und ihr Temperament überzeugend zum Klingen. Alles Spieldosenhafte ist verbannt, durch eine freizügige Interpretation erscheint die Musik wundervoll beredt. Am weitesten weg vom Notentext wagt sich das Abegg-Trio im Mittelsatz des G-Dur-Trios, aber das mit musikhistorischem Geschmack. Weil Haydns Komposition dort ohnehin schon fast frühromantisch klingt, mit ihrer dunklen Sonorität den Ton von Beethovens Mondscheinsonate vorwegnimmt, so ist es wohl legitim, wenn das Cello einmal die Violinmelodie mitspielen oder ganz übernehmen darf."
Gerhard Dietel

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