"Endlich wieder einmal ein wirklich "komponiertes" Schumann-Programm im Sinne eines Recitals auf CD! Evgeni Koroliov umrahmt die Werkkomplexe op. 16, op. 99 und op. 15 mit zwei Stücken aus den Waldszenen op. 82, die es an indirekten Beleuchtungen, an Nachdenklichkeit, aber auch Bildhaftigkeit, ja sogar an verschiedenen Ebenen von Religiosität nicht fehlen lassen. In der einleitenden Verrufenen Stelle ist es eine bedrohte, leise schauerliche Gläubigkeit, im Mittelteil der Vogel als Prophet-Studie haben wir es mit einem Choral zu tun - wie in kleinformatiger Nachbarschaft zu Franz Liszts erster Legende in Verehrung des Heiligen Franz von Assisi. Koroliov ist nicht der Klaviercharakter, am Beginn der Kreisleriana - wie etwa vor vielen Jahren Viktoria Postnikova - verwegen über die Tastatur zu fegen. "Äußerst bewegt" ist bei ihm eine Frage der überlegten Diktion, der momentanen, kontrollierten Erregtheit im Hinblick auf das Kommende. Auch in der folgenden, weit ausgreifenden zweiten Fantasie ("Sehr innig und nicht zu rasch") geht er ausdrucksmäßig nicht an Grenzen der klanglichen und deklamatorischen Verfeinerung, vielmehr führt er den Hörer mit der Umsicht eines Klaviersoziologen durch die weichen und die forscheren Passagen dieser eigentümlichen Musikideenwelt. Bei Koroliov - und das gilt meiner Ansicht nach für alle übrigen Stücke dieser Aufnahme - geht es nicht um gesonderte Wunder der Haupt-, Zwischen- und Nebencharakterisierung, sondern um die klare Ansichtigkeit von Einzelheiten, die sich wie natürlich zu einem Ganzen fügen. Er und seine Zuhörer verlieren sich nicht in liebenswerte Details; es bleibt ihnen im Rückblick aber die nachschwingende Wirkung, das Echo einer Interpretensprache, die über Silben, über Wörter hinaus den Sinn von zusammenhängenden Sätzen ins Bewusstsein gerückt hat." Peter Cossé

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