"Pictures & Reflections nennt der österreichische Pianist Markus Schirmer – oder sein Produzent Andreas Spreer – mit einigem Recht diese russisch-französische Werkkombination. Vielleicht wäre das entsprechende französische Motto um einige musiksprachliche Nuancen zutreffender gewesen, aber hier gelten wohl auch – verständliche – marktwirtschaftliche Überlegungen. Die zweite unumgängliche Neben- bzw. Vorbemerkung gilt der aufführungspraktischen Urgeschichte dieser Zusammenstellung. Als Markus Schirmer dieses Programm in der Nähe von Graz spielte – der Österreichische Rundfunk (ORF) sendete es –, trug der Schauspieler Wolfram Berger mit klug ausgewählten russischen Texten ganz entscheidend zur Wirkung, ja zum Verständnis des Mussorgsky-Zyklus’ bei – und Schirmer schien mir bei diesem Konzert vor Publikum auch eine Spur engagierter, mutiger in den kräftigeren, auch brutaleren Passagen zuzugreifen. Da die klanglich bestens klimatisierte Tacet-CD nur 65 Minuten dauert, wäre es vielleicht möglich gewesen, etwas von dieser prächtigen musikliterarischen Idee gleichsam ins „Studio“ der neuen Grazer Helmut-List-Halle herüberzuretten. Genug des Ausholens und der sanften Schelte. Musikalisch bietet Schirmer einen überlegten, vielleicht unter dem Eindruck des parallelen Ravel-Projektes eher unrussischen, französisierend eleganten, dabei in den wesentlichen Charakter-Definitionen doch jederzeit orientierten und orientierenden „Ausstellungs“-Besuch. Mit einigen Kräften, wenn der Ochsenkarren rumpelt, mit gebannter Wucht im Finale, aber eben nicht mit jenen akkordischen Karate-Schlägen, wie sie in der jugendlichen Wettbewerb- und Verdrängungsspianistik Mode geworden sind. Schirmers Variante der Miroirs zählt nach meinen Erfahrungen zu den sanftesten, nachdenklichsten, wenn man will: reflektiertesten des gesamten Katalogs. Indirekte Beleuchtungen, eher angemalte denn angeschlagene Töne – und ein Alborada, der wirklich „grazioso“ über die imaginäre Bühne schwingt und gurgelt. Im Allgemeinen werden die Eckteile dieser Tanz- und Verhaltensstudie ja als Repetitionsnachweis und Schnelligkeitsbestätigung benutzt (und damit nicht selten auch missbraucht)."
Peter Cossé

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