"Fassungsprobleme gibt es nicht erst bei Bruckner. Sie tauchen schon in Schuberts vielgespieltem Es-Dur-Klaviertrio auf, was wenig bekannt ist. Der Komponist übersandte seinem Verleger das Manuskript mit der Forderung, im Finale von ihm bezeichnete Kürzungen vorzunehmen. Sie betrafen nicht nur die nun fortfallende Wiederholung der Exposition, sondern auch Teile der Durchführung, so daß der Satz statt der ursprünglich fast 20 Minuten Spieldauer nunmehr nur 14 Minuten beansprucht. Gestrichen wurde unteranderem ein zweites Auftauchen des Themenzitats aus dem Andante, eine Stelle, um die es wegen der reizvollen Verschränkung unterschiedlicher rhythmischer Gruppen schade ist. Daß dieses Andante-Thema einem schwedischen Lied entstammt, das Schubert 1827 kennenlernte, hat die Musikwissenschaft erst vor einigen Jahren entdeckt. Das Abegg Trio stellt nunmehr die beiden Fassungen des Finale nebeneinander, der Hörer hat also die Wahl. Sie fällt nicht leicht, steht doch der größeren formalen Balance der heute allgemein gespielten Endfassung die ausgreifende Kühnheit des Tonartenplans der Urfassung gegenüber. Das Besondere der Einspielung liegtjedoch nicht nur in der Hörbarmachung des Finale-Problems, auch die Wiedergabe hat ihre Meriten. Die beiden altitalienischen Instrumente fügen sich dem Klang des Bösendorfer sehr schön an. Musiziert wird ungemein subtil und dynamisch fast überdifferenziert (Scherzendo), was gelegentlich die Gefahr des Geschmäcklerischen heraufruft - andereseits aber den bedrohlich schwankenden Boden, auf dem der späte Schubert steht, suggestiv spürbar macht. Eine Parallele also zu der ähnlich gelagerten Wiedergabe des G-Dur-Quartetts durch die Hagens (75:16)"
Alfred Beaujean

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