Höchstnote 10 für künstlerische Qualität, Klangqualität und Gesamteindruck
Über den Schütz-Zeitgenossen Guillaume Bouzignac (1587–ca. 1643) wissen wir nicht besonders viel. Bis auf die Eck- und wenige Binnendaten hüllt sich sein Leben in Schweigen. Soviel ist bekannt: Geboren wurde er im Languedoc, jener geschichtsträchtigen Region im Süden Frankreichs. Seine Ausbildung erhielt er an der Kathedrale von Narbonne, später war er in wechselnden Positionen als Sänger und maître de musique an vielen Kathedralen des südlichen Königreichs tätig, u.a. in Angôuleme, Grenoble, Bourges und zuletzt in Clermont-Ferrand. Bouzignac mied den Kontakt zum französischen Hof und blieb zeitlebens in den Traditionen seiner okzitanischen Heimat verwurzelt. Seine von den Zeitgenossen hoch geschätzte Musik geriet rasch nach seinem Ableben in Vergessenheit und nur dem Fund des französischen Musikforschers Henri Quittard in der Stadtbibliothek von Tours zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist es zu verdanken, dass seine Werke heute wieder erklingen. Bouzignacs Musik ist von bemerkenswerter Eigenständigkeit und Individualität, eine Musik zwischen Renaissance und Barock, die zwar noch ohne den "neuen" Generalbass auskommt, aber gleichzeitig in ihrer Affektgeladenheit und dramatischen Eindringlichkeit weit über die übliche Kirchenmusik seiner französischen Zeitgenossen hinausweist.Das Sächsische Vokalensemble unter Matthias Jung hat nun eine Auswahl von Bouzignacs Motetten mustergültig vorgelegt. Die Stücke folgen keinem einheitlichen formalen Prinzip, auch die Auswahl der Texte ist vielfältig und deutet überwiegend auf einen außerliturgischen Gebrauch. Wir finden Ausschnitte aus der Weihnachtshistorie oder dem Schöpfungsbericht ebenso wie Hohelied-Motetten, Texte zur Passion und Lobgesängen wie Te Deum und Jubilate Deo. Das Changieren zwischen kunstvoller Polyphonie der Spätrenaissance, dialogischem Wechsel zwischen Soli und Chor sowie kraftvollen, homophonen Blöcken von rhythmischer Vitalität als Vorbote einer neuen Musikepoche zeichnet Bouzignacs Motetten deutlich als Musik des Übergangs aus, der es trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – (wie ein Jahrhundert später etwa einem Carl Philipp Emanuel Bach) nicht an persönlicher Kraft mangelt.
Über die Interpretation und Aufnahme kann man nur staunen: Die CD bietet selbst in der bloßen Stereoversion ein fantastisches Klangerlebnis. Leider stand dem Rezensenten keine Surround-Anlage zum Abhören dieser SACD zur Verfügung. Der Produzent Andreas Spreer hat größte Sorgfalt darauf verwendet, die Musik im Real-Surround-Verfahren räumlich zur Geltung kommen zu lassen und hat für fast alle Nummern der CD gesonderte Aufstellungen gewählt, die im Booklet eigens spezifiziert sind. Das Sächsische Vocalensemble ist mittlerweile ein Ensemble von Weltrang. Fast vier Jahrhunderte nach ihrer Entstehung erstrahlen Bouzignacs Motetten wieder in vollem Glanz: in makelloser Diktion, lupenrein intoniert und von betörendem, homogenem Wohlklang. Heinz Braun
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