Kreiszeitung Böblinger Bote
vom 07. November 2003

CDs unter der Lupe: KRZ-Mitarbeiter testen aktuelle Scheiben

So mancher dieser Silberlinge ist Gold wert

Kreis Böblingen - Endlich Wochenende, endlich Zeit, sich mal wieder genüsslich eine schöne CD zu Gemüte zu führen. Für alle, die auf der Suche nach neuen edlen Klängen sind, haben unsere Mitarbeiter Jan Renz und Wolfgang Teubner einige CDs unter die Lupe genommen



VON JAN RENZ UND WOLFGANG TEUBNER



TACET ist ein kleines, aber feines Label, das seinen Sitz in Stuttgart hat. Es setzt nicht auf Quantität, sondern auf Qualität, und dieses Konzept geht auf. Einige Aufnahmen sind jetzt schon Klassiker, etwa die "Kunst der Fuge" mit Evgeni Koroliov oder die Britten-CD des Auryn Quartetts. Wer nach einer Silberscheibe des Labels greift, wird kaum enttäuscht werden. Ensembles wie das Auryn Quartett oder das Duo Favori haben im Lande einen guten Ruf, auch Musikfreunden des Kreises sind diese Namen vertraut. Vor Jahren sind sie etwa im Gewölbekeller des Deufringer Schlosses aufgetreten. Ihre Musik blieb im Gedächtnis. Aus der unübersichtlichen Schwemme zahlloser CDs ragen viele TACET-Aufnahmen heraus. TACETs Engagement wurde neulich von höchster Stelle gewürdigt. TACET-Chef Andreas Spreer erhielt Ende letzten Jahres die Ehrenurkunde des "Preises der deutschen Schallplattenkritik" für den langjährigen innovativen Umgang mit dem Tonträger. Das Urteil lautete lapidar: "Aufnahmen der TACET Musikproduktion sind sozusagen Gold wert". Gold wert, damit sind die Silberscheiben gemeint.

Die neuen Aufnahmen mit Tschaikowskys Streichquartetten und Mozarts Klavierquartetten sind einschränkungslos zu empfehlen: Die betagten Herren des Bartók-Quartett bieten Alterskunst: abgeklärtes souveränes Spiel, in das Lebenserfahrung eingegangen ist. Nicht prägnantes Pathos oder knallige Fanfaren oder tränentreibende Themen wie in Tschaikowskys Sinfonien oder Balletten prägen hier das Klangbild, sondern weite menschenleere Landschaften. In diesen Quartetten wird man eingängige Melodien vermissen, die introvertierte Musik hat andere Qualitäten. Ganz das Gegenteil sind Mozarts sprudelnde, verspielte Klavierquartette, das Gaede-Trio bietet eine erfrischende und farbenreiche Interpretation. Nicht melancholische Einsamkeit, sondern Lebensfreude vermittelt sich hier.

TACET hat übrigens auch einen stillen Star unter Vertrag. Vor einigen Jahren war Evgeni Koroliov nur einem kleinen Kreis von Klavier-Experten ein Begriff. Heute dürfte der Name jedem Klavierfreund geläufig sein. Das Bach-Spiel Koroliovs ist unverkennbar, seine Aufnahmen sind bemerkenswert. Koroliovs Spiel provoziert Superlative: Seine Bach-Aufnahmen gehören zu den sensibelsten und facettenreichsten, eine echte Alternative zu Gould und Gulda (um zwei Kult-Pianisten zu nennen, von denen der unauffällige Koroliov so weit entfernt ist). Das gilt auch für seine Einspielung von Bachs "Wohltemperierten Klavier", das nicht nur für Chopin eine Bibel war. Jedes der 48 Stücke dieses Kosmos ist eine Welt für sich. Niemand macht das so deutlich wie Koroliov und TACET dokumentiert diese einsame Kunst. Diese Aufnahmen machen das kleine Label ganz groß. Davon nächstens mehr.