Schwanengesänge
"Präziser Donner von vier Händen. Schließlich eine gedankliche Fermate. Große Pause. Und jetzt, schon gen Ende und gewissermaßen im vierten (Sonatensatz-)Teil dieser wundersamen Fantasie in f-Moll (D 940) von Franz Schubert, gewinnt das Stück wieder wie von selbst in silbriger Helle und todesschwarzer Tiefe zugleich Kontur. Als sei es eine dialektische Übung. Atmosphärisch vernimmt man bereits die Stimmung jener letzten Klaviersonaten, die noch folgen sollen - Schwanengesänge sind sie alle drei. Noch einmal ballt Beethoven die Faust (c-Moll, D 958), noch einmal fühlt sich Wien aber auch warm an, hell, sonnendurchflutet. Dann kommt der Schluss. Im langsamen Satz der B-Dur-Sonate (D 960) geht der Tod so lange auf Zehenspitzen durch Schuberts Zimmer, als sei er bereits die Ewigkeit. Und bleibt auf einmal stehen. »Ein Narr bin ich, find′st nicht?«, lässt Michael Stegemann in seinem eigenwilligen Buch Ich bin am Ende mit allen Träumen Schubert zu seinem Freund Bauernfeld sagen, weil Franz, der Schnellschreiber, an eben dieser Fantasie schon vier Monate herumdoktert. Mehrere Male wird die Form geändert, Schubert traut ja mittlerweile auch einmal seinen Längen. Und doch ist es eine »teuflische Quälerei«, wie Stegmann Schubert - wohl vollkommen zu Recht - stöhnen lässt. Schließlich stellt der Komponist einen kurzen Satz voran: »Der Comtesse Caroline Esterhazy dediziert«. Natürlich - eine Unerreichbare. Hörte man′s doch.
Evgeni Koroliov und seine Frau Ljupka Hadzigeorgieva blicken den kühnen Konstrukten Schuberts dermaßen unbestechlich auf den Grund, dass einem ganz anders werden kann. Doch selbst den selbsterzeugten Schwindel fangen diese vier Hände meisterlich sicher wieder auf. Und der Stuttgarter Tonmeister und Produzent Andreas Spreer ist seinen Künstlern wieder einmal sehr behilflich. Auch das der Comtesse nur versteckt zugeeignete Schubertsche Grand Duo C-Dur (D 812) aus dem Jahre 1824 wird klanglich bestechend tief ausgelotet: Gerade wo sich fast nichts ereignet, nämlich in der Gestaltung des Themas im ersten Satz, gewinnt der Klang eine Dimension, die wiederzugeben man seinen eigenen Lautsprechern von Haus aus gar nicht zugetraut hätte: Zum Raum wird hier die Zeit."
Mirko Weber
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"Präziser Donner von vier Händen. Schließlich eine gedankliche Fermate. Große Pause. Und jetzt, schon gen Ende und gewissermaßen im vierten (Sonatensatz-)Teil dieser wundersamen Fantasie in f-Moll (D 940) von Franz Schubert, gewinnt das Stück wieder wie von selbst in silbriger Helle und todesschwarzer Tiefe zugleich Kontur. Als sei es eine dialektische Übung. Atmosphärisch vernimmt man bereits die Stimmung jener letzten Klaviersonaten, die noch folgen sollen - Schwanengesänge sind sie alle drei. Noch einmal ballt Beethoven die Faust (c-Moll, D 958), noch einmal fühlt sich Wien aber auch warm an, hell, sonnendurchflutet. Dann kommt der Schluss. Im langsamen Satz der B-Dur-Sonate (D 960) geht der Tod so lange auf Zehenspitzen durch Schuberts Zimmer, als sei er bereits die Ewigkeit. Und bleibt auf einmal stehen. »Ein Narr bin ich, find′st nicht?«, lässt Michael Stegemann in seinem eigenwilligen Buch Ich bin am Ende mit allen Träumen Schubert zu seinem Freund Bauernfeld sagen, weil Franz, der Schnellschreiber, an eben dieser Fantasie schon vier Monate herumdoktert. Mehrere Male wird die Form geändert, Schubert traut ja mittlerweile auch einmal seinen Längen. Und doch ist es eine »teuflische Quälerei«, wie Stegmann Schubert - wohl vollkommen zu Recht - stöhnen lässt. Schließlich stellt der Komponist einen kurzen Satz voran: »Der Comtesse Caroline Esterhazy dediziert«. Natürlich - eine Unerreichbare. Hörte man′s doch.
Evgeni Koroliov und seine Frau Ljupka Hadzigeorgieva blicken den kühnen Konstrukten Schuberts dermaßen unbestechlich auf den Grund, dass einem ganz anders werden kann. Doch selbst den selbsterzeugten Schwindel fangen diese vier Hände meisterlich sicher wieder auf. Und der Stuttgarter Tonmeister und Produzent Andreas Spreer ist seinen Künstlern wieder einmal sehr behilflich. Auch das der Comtesse nur versteckt zugeeignete Schubertsche Grand Duo C-Dur (D 812) aus dem Jahre 1824 wird klanglich bestechend tief ausgelotet: Gerade wo sich fast nichts ereignet, nämlich in der Gestaltung des Themas im ersten Satz, gewinnt der Klang eine Dimension, die wiederzugeben man seinen eigenen Lautsprechern von Haus aus gar nicht zugetraut hätte: Zum Raum wird hier die Zeit."
Mirko Weber
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