Die Urzeiten der Welte-Mignon-Technik fördern – prächtig, auf Gegenwartsniveau gehoben von dem Tacet-Techniker und -Produzenten – vergessene Klaviermusik-Autoren ans Licht, hier gespielt von einer vor allem auf die Großen, Unvergesslichen fixierten Pianistin. Elly Ney ist es, die weit gewandete, weiblich priesterlich auftretende, nein: überkonfessionell Klaviergottesdienst zelebrierende Reichs- und Nachkriegspianistin, die hier keusche Miniaturen von Bernhard Köhler und Hugo Kaun in Erinnerung ruft. Der Begleittext-Autor, der sich kompetent für das Können und manche Flüchtigkeiten und Grobheiten der Interpretin ins schriftliche Zeug legt, weiß über diese Kleinkunstmusikanten nichts zu übermitteln. Es sei ihm aus wissender (bzw. unwissender) Kollegenperspektive verziehen. Zum Zeitpunkt dieser Einspielungen war die später als „Hohepriesterin“ und „Witwe Beethovens“ geschätzte (aber auch verlachte) Emil von Sauer-Schülerin ganze 23 Jahre alt. Sie spielte verständlicherweise sauberer als im fortgeschrittenen Alter. Sie hatte das Zeug, die Texte im Auge und die Finger im Zaum zu halten. So wird man hier – eingedenk aller phraseologischen, tempomässigen Einschränkungen hinsichtlich der Rollen-Justierung – die Ney in guter, bester Verfassung erleben, die kräftig zuzupacken imstande ist, aber auch Sinn für gleitende, liebenswerte, schonende Passagen hat (Chopin). Mithin ein für Spezialisten faszinierender akustischer Rückgriff in eine Ära des subjektiv unschuldigen Klavierspiels. Und wenn man das alles auf einen feuilletonistischen Nenner bringen möchte, dann reicht es aus, amerikanische Berichterstatter zu zitieren. Sie bezeichneten Elly Ney als "weiblichen Paderewski"! Peter Cossé

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