Kammermusik auf Tasten
Beethoven-Sonaten mit Evgeni Koroliov gab es bisher, wenn ich recht sehe, auf CD noch nicht. Der Band 14 von TACETs "Koroliov Series" holt dies jetzt mit zwei der musikalisch und pianistisch anspruchsvollsten Sonaten nach, dem quasi romantisch beginnenden A-Dur-Werk op. 101 und der das klassische Modell ins Gewaltige dehnenden Hammerklaviersonate op. 106.

Ein spätes, aber überzeugendes "Debüt". Wer Koroliov kennt, wird von ihm, dessen Ruf sich primär auf seine Leistungen als musterhaft strenger Bach-Spieler gründet, keinen vital donnernden oder mitreißend musikantischen Beethoven erwarten, sondern klar strukturierte, schlanke und beherschte, die Persönlichkeit des Interpreten zurücknehmende Darstellungen. Er wird nicht enttäuscht werden. Aber mir scheint, als sei es Koroliov in seiner neuen Produktion überzeugender denn je gelungen, seine Intentionen in realen Klang umzusetzen. Sein Ansatz lässt die beiden "späten" Beethoven-Sonaten mit einer kalligraphischen Feinheit und Nervigkeit erstehen, wie man sie sonst höchstens noch von erstklassigen Streichquartetten zu hören erwartet. Der Wahl-Hamburger, Jahrgang 1949, hat die bösen rhythmischen Hakeligkeiten im Marsch und die Terzen- und Quartengänge im Finale der A-Dur-Sonate ebenso wie den manuellen Hürdenlauf der Schlussfuge des op. 106 perfekt und fast ohne die sonst mehr oder weniger deutlich in Erscheinung tretenden "Erdenreste" in Musik auflösen können. Ebenso sind alle Themenübergänge durch subtile Dynamik oder unaufdringliche Ritardandi bewundernswert deutlich herausgearbeitet, Aufbau und Entwicklung der Sätze lassen sich ebenfalls kaum zwingender hörbar machen. Kurz: Beethoven-Aufnahmen ganz eigenen Zuschnitts und sehr hohen Niveaus.

Ingo Harden

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