Man wird künftig nicht mehr so ohne weiteres an der vorliegenden Einspielung von Mozarts berühmter Gran Partita vorbeihören können. Nicht nur bekräftigen die erfahrenen Holzbläser und das Hornquartett des SWR Sinfonieorchesters ihren Ruf einer exzellent konditionierten Kammermusik-Elite „Stuttgart Winds", sondern auch der Tonmeister dieser durchaus nicht zum Schweigen verurteilten Tacet-Qualität, Andreas Spreer, verdient den Beifall des Rezensenten. Dankbar nimmt man dessen entsprechende Informationen im illustrierten Beihefttext zur Kenntnis, die dem studio-akustischen Problem der transparenten, flexibel-dynamischen Gruppierung einer „großen blasenden Musik", wie Mozart seinen Geniewurf nannte, erfolgreich zu Leibe rückt. Kreisförmig um das Hauptmikrophon herumgeschart erhält jeder Mitwirkende eine optimale Position im Solo-Einzel, Gruppenwechsel oder Tuttigeschehen. Zusätzlich gewährleisten Stützmikrophone den jeweiligen „Originalklang" der individuellen Farbwerte eines Instrumentes.
Wenn sich, wie hier, mit überzeugender Tempowahl, spürbarer Hingabe an Melodie, Harmonie, rhythmischem Temperament und Ausdruck ein packendes „Hörbild" für Kenner und Liebhaber entwickelt, dann entfaltet die musikhistorische Einzigartigkeit dieses 7sätzigen Kompendiums aller bläserischen Ensemblefinessen eine überraschende Wirkung: Ausdrucksvielfalt und Formenreichtum summieren sich zu einer spannenden Fortsetzungsfolge vom klassisch-sinfonischen Sonatensatz mit ouvertüreartiger Largo-Einleitung bis hin zum turbulenten Janitscharen-Kehraus à la Entführung aus dem Serail.
Der empfindsame Stil erfährt eine wundersame Vollendung in zwei miteinander wetteifernden Romanzen, deren zweite wiederum durch ein kontrastierendes Allegretto-Intermezzo mit virtuos hüpfenden Baßfigurationen des Solofagotts pures Vergnügen vermittelt. Zwei Menuette bezaubern durch höfische Ballett-Atmosphäre, während ein außergewöhnlich ideenreicher Variationensatz folgerichtig das Finale anvisiert.
Man versteht, dass angesichts der Gipfelkunst an „Kompositionswissenschaft" des Jahres 1781, als Mozarts singuläres „Bläserexperiment" seinen Erfolgsweg antrat, für die folgenden einhundert Jahre niemand ein Nachfolgewerk riskierte. Erst die nationalen Spätromantiker Dvorák in Böhmen (1878) und Gounod in Frankreich (1885) läuteten mit ihren „Bläsersinfonien" eine neue, eigene Ära dieser Werkgattung ein.
Gerhard Pätzig<< zurück