"Mit den ganz großen Musiker-Karrieren ist das so eine Sache: Warum der eine sie macht und der andere nicht, lässt sich in vielen Fällen nicht recht erklären. Zufall spielt wohl eine Rolle und die Fähigkeit, zur richtigen Zeit am richtigen Platz die richtigen Leute kennen zu lernen. Diese ganz große Karriere hat der Frankfurter Pianist Christoph Ullrich - bisher jedenfalls - nicht gemacht, obwohl er das Zeug dazu sehr wohl hätte: Es ist geradezu sein Hobby, neue Programmformen zu entwickeln und überhaupt Werke so zusammenzustellen, dass sie sich gegenseitig beleuchten; seine Diskographie und mithin sein Repertoire sind nicht ganz klein, vor einiger Zeit trat er zum Beispiel mit seiner Einspielung der großen Schubert-Sonaten an die Öffentlichkeit. Jetzt kam seine erste Mozart-CD heraus, und auch hier besitzt er wieder einen eigenen und überzeugenden Blick auf die interpretierten Werke. Er spielt die beiden F-Dur-Sonaten KV 332 und KV 533 natürlich nicht als unterhaltsame Rokoko-Stücke, sondern mit ausgeprägtem Interesse an der in diesen Werken enthaltenen Zukunftsperspektive. Er spielt sie mit der Nachdenklichkeit, die sonst eher Beethoven oder Schubert zuteil wird - gleichsam im Vorgriff auf eine spezifisch romantische Musiksprache. Man kann dieser Aufnahme auch entnehmen, dass es hier um die handwerklichen Voraussetzungen des Klavierspiels, also etwa um Fingerfertigkeit oder Anschlagskultur, ausgezeichnet bestellt ist. Doch das versteht sich ab einem bestimmten pianistischen Niveau ja eigentlich von selbst, weshalb andere Merkmale dieser CD verstärkt ins Blickfeld geraten: Die Plastizität und Tiefenschärfe von Ullrichs Spiel zum Beispiel, die bereits erwähnte Betonung von Mozarts Modernität oder auch der kluge, von Ullrich verfasste Booklet-Text. Alles in allem: Ein Mozart voller Schönheit und voller Tiefgründigkeit."
Stephan Hoffmann

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