Künstlerische Qualität: 10 von 10
Klangqualität: 10 von 10
Gesamteindruck: 10 von 10
Ohne die Kunst des Dirigenten András Keller und seines Concerto Budapest schmälern zu wollen: Der eigentliche Star dieser Aufnahme der Großen C-Dur-Symphonie von Franz Schubert ist die Aufnahmetechnik, hier als „5.1 Version Real Surround Sound“ bezeichnet. Im Booklet ist eine Grafik, die das Hörerlebnis veranschaulicht: Der Hörer sitzt in der Mitte aller Orchesterinstrumente, die ringsum angeordnet sind. Und so fühlt man sich auch: inmitten des Orchesters, inmitten des Klanggetöses wie im Auge des Orkans. Der Klang kommt von hinten, von vorne, von allen Seiten und wirkt deswegen bisweilen etwas gewaltsam. Aber man hört wirklich alle einzelnen Instrumentengruppen, hört, wie das Punktierungs-Motiv alle Instrumentengruppen bestimmt, hört selbst die feinsten Geigen-Pizzicati, hört die immer latent Gefahr verkündenden Posaunen, spürt fast körperlich die schneidenden Trompetenstöße und die sprudelnde Motorik im Scherzo. Und man hört voller Bewunderung, wie Schubert bewandert ist in der Kunst der Orchestrierung und der Kunst der instrumentalen Kolorierung – obwohl er seine Symphonie nie gehört hat.
Stetige Aufbruchs-, ja Aufruhr-StimmungWolfram Steinbeck schreibt im „Schubert-Handbuch“ zu dieser Symphonie: „Es ist keine Übertreibung, wenn wir sagen, dass Schuberts Große C-Dur-Sinfonie die neue Sinfonie ist, eine Sinfonie trotz Beethoven, zugleich die erste bedeutende Sinfonie nach Beethoven. Mit ihr beginnt…ein neues Zeitalter: die Epoche der romantischen Sinfonik.“ András Keller bestätigt mit seiner Interpretation dieses Statement. Immer herrscht hier Aufbruchsstimmung, ja oft Aufruhr und produktive Unruhe, nie bloße Idylle. Der berühmte initiale Hornruf erschallt geheimnisvoll wie aus weiter Ferne, nach einer zunächst gelassenen Ruhe der Entwicklung beginnt mit dem ewig punktierenden Thema die rastlos vorwärtsdrängende und brodelnd-gefahrvolle Unruhe, die sich – weg vom womöglich gemütlich tänzelnden Tempo – stetig erregt steigert bis zur Schluss-Stretta. Durch die Aufnahmetechnik hört man genau, wie die Kontrabasstöne in ihrer Begleitfigur immer hinunterstürzen wie in den Orkus, empfindet man die ersten Tutti-Schläge des Orchesters wirklich als gewaltsame Schläge. Das Concerto Budapest glänzt da mit Punktgenauigkeit der Tutti und mit Ausgewogenheit der Instrumentalgruppen.
Marsch in das neue musikalische ZeitalterAuch das Wandermotiv im zweiten Satz wirkt in der Begleitung nicht wanderselig, sondern etwas nervös, die Tutti-Einsätze kommen wie Donnerschläge, die dann auch den lyrisch fließenden Mittelteil fragil-gefährdet erscheinen lassen und die dem Hornruf, der an den Kopfsatz erinnert, eine Warnfunktion zuzuschreiben scheint. All dies wird dann von den schneidend grellen Bläsern bestätigt, die mit unerbittlich wiederholten verminderten Septakkorden zum katastrophalen Zusammenbruch führen. Man hört und spürt die fast schon brucknerhaften Dimensionen des Scherzos. Das Finale ist kein „Sturmlauf“, da eilen viele Kollegen von András Keller stürmischer dem Ende entgegen, aber vibrierend vor Final-Lust bleibt’s doch und es geht bzw. marschiert unaufhaltsam vorwärts, vorwärts in das von Wolfram Steinbeck apostrophierte neue Zeitalter.
Rainer W. Janka<< zurück